Diese Mitgliederversammlung bei Rot-Weiss Essen müssen die meisten anwesenden RWE-Mitglieder und die, die sie bei RS im Liveticker verfolgt haben, erstmal sacken lassen.
Nach einer Saison, die zwar mit dem Klassenerhalt in der 3. Liga endete, in der der Trend seit dem Jahreswechsel doch rapide nach unten zeigte, hoffte man auf eine umfangreiche Analyse der schwachen letzten Monate - und auf Ansätze, wie es besser werden soll.
Kurzum: Die Mitglieder hofften auf eine Art Aufbruchstimmung. Doch stattdessen gab es sehr viele lange Gesichter. Spätestens die Zahlen, die der RWE-Vorstandsvorsitzende Marcus Uhlig präsentierte, ließen bei den meisten Fans die Kinnladen bis ins Erdgeschoss fallen.
Bisher war man davon ausgegangen, dass RWE eine solide Bilanz aufweisen würde, ohne große Ausschläge nach oben oder unten. Auf eine Basis, auf der in den kommenden Jahren der Angriff auf die 2. Liga erfolgen kann.
Millionenminus statt Aufbruchstimmung bei RWE
Doch die am Sonntag präsentierte Bilanz liest sich völlig anders: 3,6 Millionen Euro betrug der Fehlbetrag für das Geschäftsjahr 2022. Vier Gründe nannte Uhlig, die für dieses Minus verantwortlich seien.
Wir picken uns einen raus: Bei einem Drittliga-Kader und dem Essener NLZ einen Fehlbetrag in Höhe von 800.000 Euro für Personalkosten anzuhäufen, da muss schon jegliche Kontrolle nicht funktioniert haben. Uhlig gestand "Fehler" ein, nahm die Verantwortung auf seine Kappe. Doch der Aufsichtsrat muss sich auch fragen lassen, was hier mit der Kontrollfunktion passiert ist.
Zumal die Prämien im ersten halben Drittliga-Jahr eher nicht exorbitant über den Planungen gelegen haben dürften. Und die Gehaltsstruktur nach eigener Aussage auch nicht in Sphären angesiedelt ist, wo man mit leichter Mathematik auf eine Gesamtsumme von 800.000 Euro kommt.
Hier ist sehr viel schiefgelaufen. Auch die Art und Weise, wie man dann hier im laufenden Betrieb von dem Bilanz-Minus erfahren hat, spricht nicht für einen optimalen Arbeitsablauf. Sascha Peljhan hat - ehrenamtlich - die Buchhaltung auf den Kopf gestellt. So hat man herausgefunden, dass die eigentliche Planung nicht realistisch sei.
Immerhin: Uhlig räumte die Fehler ein, er versprach Besserung, nannte auch Optionen, wie das sichergestellt werden könnte. Zudem soll er entlastet werden, der Vorstand wird weitere Mitglieder bekommen. All das kostet zwar, dient aber auch der Sache, die viele Arbeit auf mehrere Schultern zu verteilen, um solche Patzer wie für das Geschäftsjahr 2022- nicht zu wiederholen.
Denn klar ist auch: Der Gegenwind wird nach dieser JHV immer rauer, bei dem einen oder anderen schwindet das Vertrauen, mehr als einmal darf eine Bilanz in Essen nicht so drastisch ausfallen.
Zumal es nicht jedem gelang, die Gemüter zu beruhigen. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Andre Helf ging in seiner Rede mit wenig Feingefühl zur Sache, suchte vor allem bei einem kleinen Teil der Anhänger die Schuld, warum zum Beispiel die Suche nach Sponsoren erschwert würde. Im Kern hatte er nicht mal Unrecht, denn 65.000 Euro an Strafen zeugen auch von den Ausschreitungen, die auf das Essener Fan-Konto gehen.
Doch an so einem Tag hätte man das sicher vorsichtiger formulieren können. Denn er sollte sich vielleicht klarmachen: Die Insolvenz 2010 ist noch nicht aus allen Fan-Klamotten geschüttelt. Zahlen, wie sie am Sonntag präsentiert wurden, wecken schnell Erinnerungen an vergessen geglaubte Zeiten. Auch wenn man noch weit davon entfernt ist, versprochen hat gegenzusteuern. Und hier müssen Uhlig und seine Mitstreiter nun liefern und die angekündigte schwarze Null auch hinbekommen.
Was nicht leicht wird, denn es gibt - bei einem minimalen Plangewinn - schon erste Hürden. Die Berufsgenossenschaft kostet alle Profiklubs in Zukunft mehr, auch Abfindungen werden geleistet werden müssen, die bisher nicht eingeplant sind. Denn es befinden sich noch einige Spieler im Kader der Essener, die dort nicht mehr gebraucht werden.
Und Vorstand und Aufsichtsrat müssen nun anpacken und die Zahlen begradigen, damit nicht bald nur Spieler auf der Liste sind, die nicht mehr gebraucht werden. Denn nach dem Aufstieg und einer Schonfrist für alle im Verein wurde nun auch bei der Mitgliederversammlung deutlich: Die Essener wollen nun wieder Leistung sehen, auf allen Ebenen. Sonst könnte jeder Stuhl im Verein bald wackeln.